Das Leben mit hochsensiblen Menschen

Das Zusammenleben mit hochsensiblen Menschen ist interessant und anstrengend zugleich. Da ich selbst mit einem hochsensiblen Menschen mein Leben teile kann ich das hautnah beurteilen. Aber zunächst mal für all jene die sich jetzt fragen: „Was macht einen hochsensiblen Menschen denn aus?“. Hochsensibilität oder Überempfindlichkeit ist ein Phänomen, bei dem Betroffene stärker als der Durchschnitt auf Reize reagieren, diese viel eingehender wahrnehmen und verarbeiten. ...

Reize werden tiefer, intensiver und detaillierter wahrgenommen und gespeichert. Oft wird diese Eigenschaft mit bloßer Nervosität und Empfindlichkeit verwechselt, jedoch ist die Ähnlichkeit rein äußerlicher Natur. Überempfindlichkeit im profanen Sinne ist meist eine persönliche unverhältnismäßig starke Reaktion auf Reize, die nicht mit erhöhter Bandbreite der Wahrnehmung einhergehen muss, was bei einer HSP (hochsensitive Person) fast immer der Fall ist. Durch die verstärkte Reizaufnahme und ihre tiefere Verarbeitung ergeben sich im Großen und Ganzen Charaktereigenschaften, die Introversion, unreflektiertes Schließen von sich auf andere, intensives Erleben der zwischenmenschlichen Beziehungen, starke Reaktionen auf Medikamente, Alkohol und Koffein sowie Anfälligkeiten für Stress, Leistungsdruck und Zeitknappheit umfassen.

HSP fallen dadurch auf, dass sie selbst scheinbar unbedeutenden Sachen große Bedeutung beimessen. Der Hang zur Gewissenhaftigkeit und Detailverliebtheit sowie die Wertschätzung der sozialen Kommunikation erfordern Zeit, Akribie und eine ruhige Atmosphäre, die nicht immer gegeben ist. Bei Leistungsdruck und Tätigkeiten, die schnelle Entscheidungen fordern, sind die HSP sehr häufig überfordert, eben aufgrund der Unmöglichkeit der geistigen Reduktion auf nur eine Aufgabe oder einen Wahrnehmungsbereich. Gemessen am Ideal der Leistungsgesellschaft ist dies ein Nachteil, auch dadurch bedingt, dass die HSP oft typische Querdenker sind und in ihren Problemlösungsstrategien nicht den gesellschaftlichen Standards entsprechen, welche sie oft für zu primitiv und ineffizient halten. Aber auch im privaten Bereich ist Hochsensibilität nicht unbedingt ein Vorteil; zwar ermöglicht HS sehr enge zwischenmenschliche Beziehungen, andererseits stoßen HSP bei Nicht-Hochsensiblen leicht auf Unverständnis, wohl auch, weil Hochsensible dem Verhalten des Anderen oft zu viel Bedeutung beimessen und daraus mitunter sehr weitreichende Schlüsse ziehen. Dennoch korreliert Hochsensibilität durchaus mit hohem Einfühlungsvermögen.

Wie erlebe ich nun diesen HSP an meiner Seite bzw. was bedeutet das für mich? Für mich ist es einerseits ein Segen, dass ich Venu als HSP an meiner Seite habe, denn sie ist für mich wie ein Frühwarnsystem. Sie nimmt Dinge wie Empfindungen, Gefühle, Wahrnehmungen um vieles schneller und intensiver wahr als ich es jemals könnte. Das erspart mir bzw. uns durch diese Früherkennung oft viel Ärger. Anfangs tat ich das auch oftmals als „Spinnerei“ ab, aber die Zeit hat mich gelehrt, dass sie in den meisten, wenn nicht in allen Fällen mit ihrer Früherkennung und Empfindsamkeit immer richtig lag. Sei das das Einschätzen neuer Bekanntschaften, das Beurteilen von Lebensmitteln, oder auch die Interpretation von Ereignissen. Ich musste mit der Zeit lediglich lernen darauf zu vertrauen, dass sie bereits intuitiv Dinge erkannte, die in meinem Erlebniskorridor noch nicht present waren. In dieser Hinsicht ist es wie gesagt ein Segen Venu an meiner Seite zu haben.

Andererseits ist es aber natürlich auch anstrengend, vor allem für sie, da sie als HSP im gesellschaftlichen Umfeld oftmals als Außenseiter gilt. So fällt es ihr schwer sich in großen Menschenansammlungen aufzuhalten, die sie energetisch „zumüllen“ und sie so zugleich auch als „Energievampire“  aussaugen. Das hat unmittelbare körperlich Auswirkungen, was sich bis hin zu Fieber äußern kann. Dann ist sie auch auf der körperlichen Ebene sehr empfindsam, sodass sie zum Beispiel sofort auf „ungeeignete“ Lebensmittel reagiert, bei denen ich noch bei weitem nichts merke – noch nicht. Es kommt dann schon mal vor, dass ich (mein Körper) 10 Jahre später auch darauf reagiere, muss aber nicht sein.

Und auch was die Kommunikation mit der Außenwelt betrifft oder die Interpretation von Medienberichten, habe ich festgestellt, dass Venu als HSP ihrer Zeit weit voraus ist. So ist sie mit ihren Erkenntnissen mindestens 10 Jahre dem Mainstream voraus, wodurch sie leider immer wieder als Verschwörungstheoretiker gilt. Aber da ich nun schon 30 Jahre an ihrer Seite lebe, konnte ich auch da feststellen, dass ich mich eigentlich auf ihre intuitive Wahrnehmung ganz gut verlassen kann. Als HSP hat sie es da natürlich auch immer schwer ihre Meinung in der Öffentlichkeit zu vertreten und sei es nur unter Freunden, da ihre Erkenntnisse von Nicht-HSP’s zunächst mal nicht verstanden und abgelehnt werden.

Ich habe für mich jedenfalls festgestellt, dass zunächst mal nichts so ist wie es scheint, soll heißen so wie wir es mit unseren Sinnen wahrnehmen (sprich was wir hören, sehen, riechen, u.s.w.). HSP’s haben die Angewohnheit alles zu hinterfragen und das ist gut so. Venu hat mich mit ihrer HSP-Lebensweise auf alle Fälle aus dem Bio-Roboterdasein herausgerissen (auch wenn es sehr sehr lange gedauert hat; danke für ihre Geduld).

Heute bin ich dankbar an der Seite eines HSP leben zu dürfen und genieße die Vorteile weit mehr als die Nachteile, was zu Anfang natürlich genau umgekehrt war.

Vielleicht hast du es in deinem Umfeld ja auch mit hochsensiblen Menschen zu tun. Wenn das so ist, verurteile sie nicht gleich, nur weil sie anderes sind und anders denken als die Masse. Sei dankbar dafür, dass du sie kennst, denn nur von anders Denkenden und anders Fühlenden kann man etwas lernen und damit auch wieder mehr über sich selbst erfahren. Lass dich darauf ein, es wird sich lohnen, glaube mir.

 

Namaste
Anutosho

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Kommentare: 1
  • #1

    Katja (Dienstag, 23 Mai 2017 09:23)

    danke für eine so treffende Beschreibung111